Mein Kind, mein Lehrer

Wie bin ich überhaupt auf diesen Namen gekommen?
Diese Frage bekomme ich öfter gestellt – und jedes Mal muss ich innerlich lächeln.
Denn die Antwort ist eigentlich ganz einfach und doch tiefgründig:
Ich habe angefangen, Kinder wirklich zu beobachten. Ihr Verhalten, ihr Wesen, ihre Art zu fühlen und zu reagieren – und wie sie dabei ganz selbstverständlich all das verkörpern, was wir Erwachsene oft verlernt haben.
Kinder leben im Hier und Jetzt.
Sie denken nicht an gestern oder an morgen. Für sie zählt nur dieser eine Moment – das Lächeln, der Wutanfall, die Freude über einen Stein am Wegesrand.
Sie kennen keine Medien, keine Uhrzeiten, keine Termine.
Sie wissen nicht, was in der Welt passiert – aber sie spüren sehr genau, was in ihnen passiert.
Sie handeln intuitiv, aus dem Bauch heraus, ganz bei sich.
Und das hat mich zutiefst berührt.
Ich habe erkannt, dass ich – wenn ich wirklich ehrlich bin – oft ganz weit weg von mir selbst war.
In Gedanken schon beim nächsten Schritt, bei den To-dos, bei den Erwartungen von außen.
Und ich habe bemerkt, wie sehr ich mich danach sehne, wieder zurückzufinden zu dieser Klarheit, dieser Präsenz, diesem echten Gefühl.
Mein Sohn ist mein größter Lehrer.
Ich sehe es jeden Tag.
Wenn er sich freut, dann aus tiefstem Herzen.
Sein Lachen ist nicht gespielt, nicht angepasst, nicht leise gehalten, um niemanden zu stören.
Es ist laut, echt, frei – einfach da.
Wenn er wütend ist, dann ist er wirklich wütend.
Er wirft sich auf den Boden, schreit, weint – und lebt diesen Moment voll aus.
Und kurz danach?
Dann steht er auf, schaut mich an, nimmt sein Spielzeug in die Hand – und lacht wieder.
Als wäre nichts gewesen.
Als hätte er alles rausgelassen, was rausmusste – und jetzt ist sein Herz wieder leicht.
Und ich?
Ich habe gelernt, Wut zu unterdrücken.
Mich zu „benehmen“, anzupassen, nicht laut zu sein, nicht unbequem.
Ich habe gelernt, meine Gefühle zu sortieren, zu analysieren, kleinzureden.
Er hat mich daran erinnert, dass Gefühle gelebt werden wollen.
Dass es gesund ist, sie rauszulassen.
Dass es kein Zeichen von Schwäche ist, sondern von echtem Kontakt zu sich selbst.
Ich liebe es, die Welt durch seine Augen zu sehen.
Diese kindliche Neugier, dieses Staunen über Dinge, die ich schon längst übersehe.
Ein Blatt im Wind, ein Käfer, ein Schatten an der Wand – für ihn ist alles neu, alles spannend, alles bedeutend.
Und wenn ich mich darauf einlasse, spüre ich, wie sich auch meine Perspektive verändert.
Ich lerne, wieder zu entdecken.
Zu fühlen.
Zu staunen.
Er zeigt mir, was es bedeutet, ehrlich zu sein.
Nicht, um anderen zu gefallen – sondern um bei sich selbst zu bleiben.
Wenn ihm etwas nicht gefällt, dann sagt er es.
Wenn er keine Lust hat, dann zeigt er es.
Er muss sich nicht rechtfertigen – er ist einfach ehrlich.
Und manchmal frage ich mich:
Wann habe ich eigentlich damit aufgehört?
Deshalb heißt mein Projekt „Mein Kind, mein Lehrer“.
Weil ich durch mein Kind wieder gelernt habe, mich selbst zu sehen.
Mich zu hinterfragen, mich zu reflektieren, weicher zu werden.
Ich bin nicht nur Mutter – ich bin auch Schülerin.
Und mein Sohn ist mein Lehrer.
Er bringt mir bei, was es heißt, zu leben – nicht zu funktionieren.
Zu fühlen – nicht zu unterdrücken.
Zu sein – nicht zu leisten.
Ich bin jeden Tag dankbar, dass er bei mir ist.
Nicht nur, weil ich ihn liebe – sondern weil er mich verändert.
Weil er mich dazu bringt, authentischer zu werden.
Wacher. Ehrlicher.
Menschlicher.
Und genau das möchte ich mit anderen teilen.
Nicht, weil ich alles richtig mache.
Nicht, weil ich Antworten habe.
Sondern weil ich auf diesem Weg bin.
Weil ich weiß, dass viele Eltern genau das Gleiche fühlen – diese Mischung aus Überforderung und tiefer Liebe, aus Erschöpfung und Staunen, aus Wut und Dankbarkeit.
„Mein Kind, mein Lehrer“ ist ein Name, der mich jeden Tag erinnert:
An die kleinen Momente.
An die großen Erkenntnisse.
An das Lernen auf Augenhöhe.
Denn manchmal sind es die Kleinsten, die uns die größten Dinge lehren.
Lies auch: Wenn die Nacht zum Tag wird – Wachzeiten mit meinem kleinen Panda
Was wir von Kindern lernen können: 
https://www.psychotipps.com/im-hier-und-heute-leben-4.html

Ein Kommentar